Local Love aus Sicht einer Zukunftsforscherin

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Oona Horx-Strathern sitzt im Schneidersitz.

Oona Horx-Strathern sitzt im Schneidersitz.

Local Love aus Sicht einer Zukunftsforscherin

Mit der Pandemie haben sich die gesellschaftlichen Werte verändert. Gemeinschaft wird wichtiger, ebenso Dinge zu teilen und sich gegenseitig zu helfen. Die Post richtet ihr Filialnetz neu aus und verbindet die Filiale als Dienstleistungszentrum noch stärker mit den Regionen der Schweiz. Damit geht sie auf den Megatrend Local Love ein. Die Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern beleuchtet ihn.

  • Oona Horx-Strathern, was bedeutet Local Love für Sie als Zukunftsforscherin?

    Der Megatrend Local Love hat viele Facetten. Die Verbindung und Verbundenheit mit Nachbarinnen, Nachbarn und Gemeinschaften wird wichtiger. Local Love beeinflusst unser Mobilitäts- und Einkaufsverhalten. Und auch Homeoffice zählt für mich zu Local Love: Wir stecken mehr Liebe in Wohnungen und Häuser, weil wir mehr Zeit darin verbringen.

    Oona Horx-Strathern sitzt auf einem Sofa mit einem Notebook auf dem Schoss.

Im Home Report 2022 sprechen Sie vom Comeback des Dorfes. Was meinen Sie damit?

Auf jeden Trend folgt ein Gegentrend. Als Antwort auf die Megatrends Globalisierung, Urbanisierung und Individualismus beobachte ich den Aufstieg stabiler, verbundener Gemeinschaften und Mikronachbarschaften, die Werte teilen wie Vertrauen, Unterstützung, Austausch und sich zum Zusammenleben entschlossen haben. Die neuen Dörfer stehen nicht nur auf Land, sondern auch in der Stadt. Künftig geht es mehr ums Dorf als Denkweise, also Mentalität der Zugehörigkeit. In der Schweiz gibt es auch dank der genossenschaftlichen Strukturen schon gut funktionierende urbane Dörfer.

Co-Living in individualistischen Gemeinschaften ist im Trend.

Oona Horx-Strathern

Das alles klingt sehr idealistisch.

Gerade in der Pandemie ist vielen klar geworden, wie wichtig Gemeinschaft ist. Nicht nur alte, sondern auch junge Menschen sind einsam. In der schwedischen Stadt Helsingborg steht eine Wohnprojekt mit rund 80 Wohnungen, in dem nur Menschen unter 25 und über 65 leben. Im Mietvertrag steht, dass sie pro Woche mindestens 2 Stunden miteinander verbringen müssen. Wer das nicht tut, fliegt raus. Das Projekt ist sehr erfolgreich. Viele andere Städte wollen nachziehen. Wenn sich die Bewohnerinnen und Bewohnern des modernen Dorfs gegenseitig unterstützen, kann eine Co-Immunität gegen wirtschaftliche Probleme entstehen, gegen Konsequenzen einer Pandemie und auch Einsamkeit.

Belebt Local Love auch die Quartiere in den Städten?

Ganz genau. Eine neue Idee der Stadtgestaltung, die weltweit immer grösseren Zulauf gewinnt, ist die 15-Minuten-Stadt. In der Stadt der kurzen Wege können alle Bewohnerinnen und Bewohnern von zuhause alle wichtigen Orte in 15 Minuten zu Fuss oder mit dem Velo erreichen. In Stockholm wird gerade das Modell der Ein-Minuten-Stadt getestet, welches Menschen den Raum vor ihrer Haustür kreativ gestalten lässt. Nicht jedes Haus hat in der Stadt Balkon oder Garten – es braucht Ausgleichsorte im öffentlichen Raum.

Bei Local Love denken viele zuerst ans Einkaufen.

Ich bin im Londoner Stadtviertel Notting Hill aufgewachsen, ganz in der Nähe des berühmten Portobello Market. Der Markt hat meiner Gegend ein dörfliches Gefühl verliehen. Märkte sind eine grosse Bereicherung, denn sie bringen lokale Produkte vom Land in Stadt. Anderes Beispiel: In der Möbelbranche sind die neuen Schlagworte ultralokal und regional. Lokal produzierte Möbel aus regionalen Materialien sind gefragt, die von einheimischen Schreinern oder Designern entwickelt werden. Ich habe das Wort FurNEARture dafür erfunden.

Warum haben wir das Bedürfnis, uns lokal zu vernetzen?

Kennen Sie das Sozial-Biom? Soziologen meinen damit eine Art Nährboden, der uns in Krisenzeiten stark und widerstandsfähig hält. Wir brauchen verschiedene soziale Nährstoffe und Formen der Kommunikation. Oft wird die Bedeutung von lockeren Verbindungen unterschätzt, etwa von einer Begegnung auf der PostTarget not accessible, am Kiosk oder im Quartierläden. Doch diese lockeren Verbindungen sind wichtig und schaffen Identität: Wir fühlen uns authentisch, gebunden, haben ein Netzwerk. Lokal heisst auch: kurze Wege. Das ist praktisch und nachhaltig.

Menschen schätzen das Gefühl, dazuzugehören.

Oona Horx-Strathern

War Local Love auf dem Land überhaupt mal verschwunden?

In vielen Dörfern sind die Geschäfte geschlossen und die Menschen versuchen gerade, ihr Dorf wiederzubeleben.

Welche Rolle spielt die Post mit ihren neu auf die Regionen ausgerichteten Filialen?

Es ist spannend, dass sich die Post gerade eine eigene lokale Identität aufbaut und lokale Partnerinnen und Partner mit ihren Angeboten in die Filialen holt – das ist ein Mehrwert für Kundinnen und Kunden, wirkt sympathisch und zeigt, dass die Post Teil der Region ist.

  • Wohin entwickelt sich Local Love in Zukunft?

    Local Love hat auch mit Einsatz für die Gemeinschaft zu tun und der Frage, wie wir unser Leben noch lebenswerter machen können. In Japan etwa gibt es eine Freundlichkeits-Währung: Wer Müll einsammelt oder einer Nachbarin hilft, bekommt einen Gutschein und kann ihn in einem Laden in der Nachbarschaft eintauschen. Das ist ein guter Ansatz!

    Foto von Oona Horx-Strathern

Info zur Person

Oona Horx-Strathern ist seit über 25 Jahren Trend- und Zukunftsforscherin, als Autorin und Beraterin tätig sowie auf internationalen Bühnen eine gefragte Wohnexpertin. In ihrer Home-Report-SerieTarget not accessible benennt und analysiert sie relevante Trends für Wohnen, Bauen, Architektur. strathern.euTarget not accessible

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