«Die Zeit für gutes Brot war nie besser.»

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«Die Zeit für gutes Brot war nie besser» Wie das perfekte Brot entsteht

Von Simone Maria Knittel

Die Menschen essen seit Jahrtausenden Brot. Heute posten sie es auch auf Social Media. Sara Witmer, Backkurs-Leiterin im Mühlerama, klärt über neue Trends, alte Geschichten und das perfekte Brot auf.

Sara Witmer arbeitet dort, wo sich Tradition und Trends der Brotwelt treffen: In der alten Mühle Tiefenbrunnen am Zürichsee. Die Mühle ist noch in Betrieb, doch mit den ultra-modernen Anlagen kann sie nicht mithalten. Darum ist sie auch Shop, Museum und Backstube. Zwischen alten Mauern lernen Besucherinnen und Besucher die Geschichte des Brotes kennen. Sara Witmer organisiert und leitet zudem Brotbackkurse in der hauseigenen Backstube. Sie kennt sich aus mit Brot: «Es begleitet die Menschheit schon seit Jahrtausenden. Doch das frühere Brot hat mit dem heutigen wenig gemeinsam.» In der Steinzeit assen die Menschen groben Getreide-Brei. Im Mittelalter war Brot oft ein steinharter Laib, an dem man sich die Zähne ausbiss.

Brotbacken liegt im Trend

Nun, das Brot hat sich gewandelt – und liegt im Trend. Hobby-Bäckerinnen und -Bäcker stürmen in die Kurse im «Mühlerama». Sie lernen Baguettes, Laugengebäck oder Sauerteigbrote backen. Zwar ist Brot oft nur eine Mischung aus Mehl und Wasser und Salz, doch Backen ist und bleibt ein Kunsthandwerk. In der modernen Küche im Erdgeschoss der Mühle erklären Sara Witmer und andere KursleiterInnen den Brot-Laien in den Kursen geduldig, worauf es ankommt. «Viele mischen zu Hause Mehlresten zusammen und backen nach Gefühl. Das klappt häufig nicht. Das Brot geht nicht auf oder ist formlos.» Mehlsorte, Zeitangaben und Mengen müssen zwingend stimmen. Brotbacken hat eine Jahrhunderte alte Tradition - das wird heute oft vergessen.

  • Altes Handwerk und Wissen

    In Sara Witmers Kurs nähern sich die Teilnehmenden der Königsdisziplin an: dem Backen von Sauerteigbrot. Sauerteigbrot kommt ohne zusätzliche Backhefe aus, dafür braucht es viel Zeit – vor allem am Anfang. Bis zu 72 Stunden brauchen die natürlichen Hefepilze und Milchsäurebakterien um sich zu entwickeln. Sie fressen und vermehren sich und entwickeln neben Gasen auch spezielle Duftnoten. Fans von Sauerteig sprechen über diese Aromen so fasziniert wie Kenner über Wein. Mit der Sauerteig-Technik kann man helles und dunkles Brot backen – das hängt vom persönlichen Geschmack, aber auch von der regionalen Getreide-Kultur ab. «Je nördlicher in Europa oder höher in den Alpen, desto dunkler und roggenlastiger werden die Brote, denn Roggen ist besonders widerstandsfähig. Das Schweizer Mittelland war Dinkelgebiet. Gegen Italien und Frankreich kommen wir dann tendenziell ins Weizenland.» Das lässt sich auch an den regionalen Brot-Spezialitäten beobachten: Bergkantone wie das Wallis haben das Roggenbrot. Hellere und leichtere Kantons-Brote finden sich hingegen eher im Mittelland und dem Tessin.

Gutes Brot braucht Zeit

Die Sauerteig-Starterkultur wird mit dem gewünschten Mehl und Wasser gefüttert und zum Vorteig gemischt. Dieser darf wieder viele Stunden ruhen. Und auch der Teig, der daraus entsteht, bleibt nochmals lange liegen. Diese Ruhezeiten sorgen für einen besseren Geschmack. Gleichzeitig führen chemische Prozesse dazu, dass das Getreide besser verdaulich wird. «Die industrielle Brotproduktion spart oftmals an der Ruhezeit. Handwerkliche Bäckereien hingegen legen Wert darauf, dass der Teig Zeit hat, aufzugehen», erzählt Sara Witmer.  Neben der langen Ruhezeit ist das Formen von Hand ein wichtiges Qualitätsmerkmal vieler Brote – und braucht Übung. «Auch viele Bäckerinnen und Bäcker formen das Brot nach wie vor von Hand», so Sara Witmer.

  • Brot als Social Media-Star

    Die fertigen Brotlaibe im Mühlerama sehen nach dem Backen in Farbe und Form wunderbar aus: Die dunkle Kruste, die hie und da aufgesprungen ist, lässt das Wasser im Mund zusammenlaufen. «Durch Social Media ist die Brotoptik sehr wichtig geworden», meint Sara Witmer. Viele Hobbybäcker möchten ihr Brot auf Social Media posten. Darum muss es optisch perfekt sein. Doch auch geschmacklich überzeugt das Brot: Fruchtige, Heu- und Röstnoten umschmeicheln den Gaumen. Und die hochstehende Verarbeitung hat noch weitere Vorteile: «Diese Brote halten eine gute Woche. Je grösser der Laib, desto besser. Die Rinde ist ein natürlicher Schutz gegen das Austrocknen.»

    Ein frisches Stück Brot.

Gute Zeiten für Laien - und Bäcker

Und nun, steht den Laien die Welt der Sauerteig-Brote offen? Ja – aber mit viel Üben. «Mein Tipp für Hobby-Bäcker ist, ein gutes Rezept zu suchen und dann so lange dasselbe Brot zu backen, bis sie sattelfest sind», so die Kursleiterin. Auch viele Bäckereien pflegen das alte Handwerk nach wie vor und haben ihr hauseigenes Sauerteigbrot. Nächstes Jahr plant Sara Witmer ausgwählte Profibäcker und -Bäckerinnen in die Mühlerama-Backkurse zu holen, damit die Brotfans von den Fachleuten lernen können, aber auch die Menschen persönlich treffen, die ihr täglich Brot produzieren. Der Trend zum guten Brot wird so schnell nicht abflachen. «Die Vorzeichen stehen fantastisch. Rohstoffe gibt es in höchster Qualität. Und die Schweiz hat noch ihre guten Bäckerinnen und Bäcker. Die Zeit für gutes Brot war nie besser!»